Etappe: Bad Urach – Maisental – Gütersteiner Wasserfall
Normalerweise kann man mit dem Zug gemütlich zum Haltepunkt Bad Urach Wasserfall fahren und von dort aus den Uracher Wasserfall oder dessen kleinen Bruder, den Gütersteiner Wasserfall, anlaufen. Während meiner Urlaubswoche fuhr der Zug leider nicht, was auch die Heimreise erschwerte, aber das ist eine andere Geschichte. Die Strecke wird auch vom Linienbus nach Metzingen und, bei Zugausfall, mit Ersatzbussen befahren.
Am Haltepunkt Bad Urach Wasserfall angekommen, ist das lärmige Treiben der B 28 nach wenigen Gehminuten vergessen und das liebliche Maisental mit seinen sanften bewaldeten Bergkuppen öffnet sich dem Blick. Der direkteste Weg zum Uracher Wasserfall führt linkerhand auf der Hochsträß, wo sich der Untere Wasserfallweg anschließt. Um die Schönheit dieses Tals voll auszukosten, wählte ich jedoch den rechten Weg, unterhalb des Galgenbergs. Mit Blick auf den Runden Berg, der sich mitten im Tal wie eine umgedrehte Rührschüssel wölbt, und den gegenüber liegenden Schlossberg mit dem Hohenuracher Schloss, dem an jenem Tag allerdings von einer mächtigen Wolkenformation, eindeutig die Show gestohlen wurde. Am Talende quert der Weg auf halber Höhe idyllisch durch Grashänge und Streuobstwiesen. Ein wunderschöner Einstieg vor dem Aufstieg, der dann folgt.
40 Höhenmeter oberhalb gelangt man auf die Fohlensteige und ein paar Meter weiter zu einem flachen Becken, in dem die Sonne in glasklarem sanft gekräuselten Wasser ein Bad zu nehmen schien. Dieses künstlich angelegte Becken ist von moosigem Tuffstein eingerahmt, an dem der obere Gütersteiner Wasserfall in glitzernden Kaskaden herab rinnt, wie Lametta am Weihnachtsbaum. Unterhalb von Becken und Weg liegt der zweite Teil, der einen aus seinen eigenen Ablagerungen gebildeten, bemoosten Kalktuffberg hinunter stürzt. Nach etwa 1,8 km fließt das abfließende Wasser in den Brühlbach. Wie auch der Uracher Wasserfall gehört der Gütersteiner Wasserfall zu den sogenannten konstruktiven Wasserfällen, was bedeutet, dass das enorm kalkhaltige Quellwasser sofort Kalk ausscheidet, was zur Bildung von neuen Felsen führt, die Wasserfälle sich somit immer weiter aufbauen. Am glitzernden Wasserbecken machte ich eine erste Pause. Einige Stufen führen zur wenige Meter weiter oben liegenden Gütersteiner Kapelle und dem Mörike Brünnele.
Die kleine Gütersteiner Kapelle erinnert an das von Graf Konrad von Urach gegründete Gütersteiner Kloster, das bis 1560 an dieser Stelle stand. In der jederzeit geöffneten Kapelle befindet sich eine Kopie von einem Altar des ehemaligen Klosters. Der Gütersteiner Wasserfall gilt zudem als Vorreiter für die erste technische Albwasserversorgung: Von 1710 bis 1715 wurde Quellwasser vom Wasserfall über einen Höhenunterschied von 150 Metern in Bleirohren auf die Hochfläche der Schwäbischen Alb hinaufgepumpt – für die damalige Zeit eine enorme Leistung.
Das leider nicht mehr sprudelnde Mörike Brünnele – einst als Labsal für durstige Wanderer – wurde zum 200. Geburtstag von Eduard Mörike gestiftet, der von 1818 an das theologische Seminar in Bad Urach besuchte und am Tübinger Stift Theologie studierte.
Etappe: Gütersteiner Wasserfall – Aussichtsturm Hohe Warte
Nun schraubt sich der Weg langsam weiter in die Höhe. An einer steileren Stelle steht eine hölzerne Rastbank und ein kurzes Stück später gelangt man auf die Hochebene. Weiter geht es durch den idyllisch gelegenen Fohlenhof in Richtung Aussichtsturm Hohe Warte. Der gemauerte Turm ersetzte zuvor installierte und schnell verrottete hölzerne Aussichtsgestelle. Turm und Gedenkstein erinnern als Ehrenmal an die gefallenen Soldaten des I. Weltkrieges. Der Schwäbische Albverein veranstaltet jährlich jeweils am 2. Sonntag im Oktober eine Gedenkfeier an die Opfer der beiden Weltkriege, zu der auch Nichtmitglieder eingeladen sind.
Etappe: Aussichtsturm Hohe Warte – Rohrauer Hütte – Rutschenfelsen
In eleganter Schleife gelangte ich wieder auf den aussichtsreichen, sonnenbeschienenen Weg oberhalb des Fohlenhofs und lief zur Rohrauer Hütte, einem Naturfreundehaus mit guter bodenständiger Küche, wo ich mir Einkehr erhoffte. Leider war zu. Beim Rutschenfelsen angekommen genoss ich die herrliche Aussicht über die faszinierende Bergwelt der Schwäbischen Alb mit ihren von Tälern durchzogenen und weißem Fels umkränzten Hochebenen, eingestreuten Ortschaften und rundlichen Bergkuppen. Auch nach hinten war die Aussicht pittoresk, mit kleinem weißen Häuschen mitten in zartetstem Grün.
Wikipedia weiß zu berichten, dass die steile Abbruchkante der Albhochwiese in der Forstbeschreibung Urachs von 1520 noch den Namen „uff langen Velsen“ trug und später „Angelfelsen“ genannt wurde. Erst mit dem Bau der Holzrutsche (später einer Eisenrutsche), die ab 1680 begann, wurde der heutige Name „Rutschenfelsen“ gebräuchlich. Das auf der Albhochfläche geschlagene Holz wurde über glatte Röhren, mit großer Geschwindigkeit und weithin hörbarem Getöse, in das Brühltal abgelassen und über die Erms und schließlich dem Neckar nach Stuttgart geflößt. Im Gegensatz dazu ist es heute trotz Beliebtheit an der felsigen Aussichtskanzel vergleichsweise ruhig. Man kann sogar auf Bänken und Holzliegen entspannen, Pausenbrot mümmeln oder einfach nur den Blick über Ermstal, Bad Urach und den Hohen Urach schweifen lassen.
Etappe: Rutschenfelsen – Uracher Wasserfall – Unterer Wasserfallweg
Beim nun folgenden Abstieg bieten sich diverse kleine Seitensprünge an, um das fahle weiß des Rutschenfelsens zu bestaunen.
Ein Stückchen weiter gelangt man zum oberen Ende des Uracher Wasserfalls. Man findet sich unter Menschen wieder, die sich auf die Foto-Hotspots, sowie auf den Ausschank verteilten. Hier hätte ich beinahe einen unverzeihlichen Fehler gemacht und wäre wegen einsetzenden Nieselregens beinahe auf dem Oberen Wasserfallweg ins Tal gewandert. Das hätte mich aber um die Hauptattraktion der Tour, einen Nahblick auf den Uracher Wasserfall, gebracht. Als mir dies bewusst wurde, kehrte ich zum Plateau oberhalb des Wasserfalls zurück und nahm stattdessen den Weg, der direkt neben dem Uracher Wasserfall hinab führt. Wow!
An einigen Stellen bekommt man nasse Füße, an anderen großartige Blicke auf das herab perlende Wasser. Kein Wunder, dass sich an den besten Stellen, Horden von Fotografen mit Hightech-Ausrüstung versammelt hatten und wohl mehr mit dem Festhalten als mit dem Erleben dieses umwerfenden Schauspiels beschäftigt waren.
Irgendwann ist auch der längste deutsche Wasserfall außerhalb des Alpenraums zu Ende und mündet in ein eher harmlos anmutendes Bächlein, den Brühlbach. An diesem entlang führt nun wieder ein breiter, auch von Stöckelschuh-Touristen frequentierter, Weg gemächlich zurück Richtung Bahnstation und Ersatzbus. Was für eine bezaubernde Tour!
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