Das Löwenberger Land kannte ich bislang nur vom Durchfahren mit dem Zug. Und von früheren gelegentlichen Ausflügen mit meinem Schatz, die aber nie weit über Oranienburg oder Kremmen hinaus führten. Für die Wanderung im Löwenberger Land wählte ich Löwenberg als Start- und Endpunkt und verknüpfte die vielen kleinen Seen und das hübsche Schloss Liebenberg zu einer abwechslungsreichen Wanderrunde.
Etappe: Löwenberg – Kleiner Lankesee
Der Ort Löwenberg wurde 1269 als Lowenburg erstmals urkundlich erwähnt. Er war im Mittelalter eine Minderstadt mit Marktrecht. Zugleich war Löwenberg Hauptort des historischen Landes Löwenberg, sank in der Folgezeit jedoch zu einem Angerdorf herab.
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde auf den Fundamenten der mittelalterlichen Burg Löwenberg das Schloss Löwenberg – ein zweigeschossiges verputztes Herrenhaus im Stil des Barock – errichtet. Das Schloss liegt auf einem Plateau und war früher ringsum von einem Wassergraben umgeben. Leider sind Schloss und Dorfkirche Löwenberg komplett an mir vorbei gegangen. Oder ich an ihnen. Ich sah von Löwenberg außer Bahnhof, Bahnübergang und dem adretten Wasserturm in Neulöwenberg nur die Hauptstraße. Von dieser versuchte ich, schleunigst wegzukommen. Und sofort wurde es ruhig und schön.
Anders als von komoot vorgeschlagen, bog ich nicht auf den Radweg ein, sondern wählte eine frühere Abzweigung, an der der hübsche kleine Friedhof liegt. Hinter dem Friedhof folgte ich einem unbefestigten Weg mit Blick über die Weiden auf der einen und stattlichen Eichen auf der anderen Seite. An einem kleinen Rasthäuschen gelangte ich auf den Radweg nach Liebenberg, der in der selben Richtung am Waldrand weiter führt.
Ich hingegen bog in den Wald ein, um zu denen dort verstreut liegenden Seen zu gelangen. Der Weg zum ersten See war anfangs wenig spektakulär. Er führte an einem Holzeinschlag vorbei. Die noch stehenden Bäume standen dicht an dicht, wie die Besucher eines Rockkonzerts. Dann wurde der Weg und Anblick freundlicher und nach einem reichlichen Kilometer blitzte das erste Blau durchs Grün. Auf weichem Waldweg führt die Strecke nun am Südufer des Kleinen Lankesees entlang.
Etappe: Kleiner Lankesee – Papensee
Den Kleinen Lankesee nutzte ich für eine erste kleine Pause mit Ausblick, bevor es duch den jetzt hübschen Wald weiter zum Papensee ging.
Der weitere Weg durch den Wald wurde nun nicht mehr von magersüchtigen Kiefern, sondern üppigen Fichten und Laubbäumen gesäumt.
Es brauchte wieder nur einen reichlichen Kilometer, bis ich erneut an einem wunderschönen Waldsee stand, dem Papensee.
Etappe: Kleiner Papensee – NSG Moddersee – Großer Lankesee
Beim weiteren Weg durch den Wald wurde dieser zunehmend zum Grasinsel-durchsetzten Sumpfwald und damit für darauf spezialisierte Tiere und Pflanzen wertvoll. Aus diesem Grund ist das 36 ha große Gebiet um den Moddersee Naturschutzgebiet. Vom Moddersee selbst, war auf meiner Wanderroute auf der Ostseite des Sees, nichts zu sehen. Dafür sah ich etwas ganz Erstaunliches… Währen der Weg im schattigen Grund verlief, sah ich, einem Scherenschnitt gleich, auf der grünen Kuppe eines nicht allzu hohen Hangs, einen großen Vogel stehen. Stehen ist die passende Beschreibung, denn das unbekannte Flugwesen, hatte lange dünne Beine. Viel mehr konnte ich nicht erkennen. Dann hatte ich das große Glück, das ebenjener Vogel lautlos über den Weg glitt und mit weit ausgebreiteten Flügeln in den Sumpfwald segelte. Dort verschwand er trotz seiner Größe urplötzlich. Diese Begegenung ließ mich nicht los und ich befragte ChatGPT nach großen rot-braunen Vögeln, die in moratigen Gebieten leben, lautlos segeln, lange dünne Beine haben und Meister der Tarnung sind. Nachdem die Rohrdommel von mir ausgeschlossen werden konnte und auch der im Wald lebende Schwarzstorch nicht in Frage kam, rückte eine weitere Antwort ins Visier, die eine kleine Sensation wäre, weil in Norddeutschland äußerst selten zu beobachten: der Purppurreiher.
Der Purpurreiher passt perfekt zu deiner Beschreibung: deutlich größer als die Rohrdommel,sehr schlank und hoch aufgerichtet (wirkt dadurch noch größer), Flügelspannweite bis 1,5 m, dunkles, bräunlich-graues Flügelkleid mit purpurfarbenen und rostroten Tönen, bevorzugt feuchte Lebensräume, Schilf, Sümpfe, Seen mit Waldrand – genau wie du es beschrieben hast. Sehr tolle Beobachtung – den Purpurreiher bekommt man nicht jeden Tag so nah zu sehen. 😊
Chatgpt (Quellen: NABU, avi-fauna.info, .natura2000-lsa.de, vogelundnatur.de)
Kein Wunder, dass ich den großen, nur wenige Meter von mir gelandeten Vogel, wenn es ein Purpurreiher war, nach seinem Landeanflug partout nicht mehr entdecken konnte. Purpurreiher haben eine besondere Tarnungsstrategie, die so genannte Pfahlstellung (aufrecht mit Hals und Schnabel erhoben), mit der sich die Vögel im Schilf – in meinem Fall zwischen den Bäumen – unsichtbar machen.
Nach dieser beeindruckenden Begegnung und der Einsamkeit des Weges, Stand bald ein krasser Wechsel bevor. Der Weg mündete auf den aspahltierten Radweg nach Liebenberg. Dem musste ich ein Stück folgen, machte aber noch einen kleinen Abstecher an den Nordost-Zipfel des Großen Lankesees.
Etappe: Großer Lankesee – Weißer See – Schloss Liebenberg
Zum Glück waren nur wenige Radfahrer auf der Strecke zwischen Löwenberg und Liebenberg unterwegs. Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zweigte ich vom Radweg ab und gelangte an das Nordufer des Weißen Sees. Anders, als die zuvor besuchten Seen, ist der Weiße See nicht ringsum von Wald umgeben. Wenn man genau hinschaut, sieht man die Dächer einiger Häuser durchs Schilf blitzen. Hinter dem Weißen See kreuzt der Wanderweg die Bergsdorfer Straße und läuft in weitem Bogen um eine große Weidefläche am Waldrand entlang. An einem grünen Pfuhl vorbei führt der Weg um Liebenberg und nähert sich aus nordöstlicher Richtung dem Schloss Liebenberg.
Schloss Liebenberg
Vorher fällt allerdings ersteinmal das Kutscherhaus Schloss Liebenberg ins Auge. Das zweigeschossige symmetrische Gebäude wurde Ende des 19. Jahrhunderts inmitten einer langen Reihe wesentlich älterer Wirtschaftsgebäude erbaut, die die Wirtschaftsbereiche des Guts vom repräsentativen Park trennen. Das Kutscherhaus war jahrzehntelang das Wohnhaus der Kutscher und Chauffeure der Gutsherren und bot im Erdgeschoß Unterstellmöglichkeiten für Fuhrwerke und Fahrzeuge. Das Obergeschoss des Kutscherhauses ist heute Sitz der DKB STIFTUNG für gesellschaftliches Engagement.
Wenige Meter weiter öffnet sich der Schlossplatz und man weiß gar nicht, wo man zuerst schauen soll. Im Rücken ragt der schlanke hohe Backsteinturm der denkmalgeschützten Dorfkirche Liebenberg auf. Beim gepflegte Fachwerkhaus in schweinchenrosa links davon handelt es sich um das Inspektorenhaus Liebenberg, in dem das Museum logiert.
Mitten auf dem weitestgehend kahlen Schlossplatz steht ein etwas verloren wirkender Brunnen und auf der gegenüberligenden Seite des Platzes, die Hauptattraktion, das Liebenberger Schloss. Wie die meisten Schlösser im Land Brandenburg, ist auch dieses Anwesen Wohnstätte ehemaliger Gutsherren. Während es sich bei den meisten Brandenburger Schlössern um eher unspektakuläre Häuser handelt, die im Charme von so manchem Bürgerhaus in der City übertroffen werden, ist das Schloss Liebenberg jedoch ausnehmend adrett und verdient den hochtrabenden Namen.
Besichtigen kann man das Schloss leider nicht, da es als Hotel Gäste beherbergt. Aber es lohnt, einen Blick in die Schloss-Geschichte zu werfen:
Im 16. Jahrhundert wurde Liebenberg vom Adelsgeschlecht derer von Bredow als Rittergut entwickelt. Im folgenden Jahrhundert fiel das Gut dank Vitamin B an das klevesche Adelsgeschlecht derer von und zu Hertefeld und gelangte zu Wohlstand. Da sehe ich einige Parallelen zur Jetzt-Zeit. 😉
Dem Adelsgeschlecht gingen im 19. Jahrhundert die männlichen Erben aus, so dass der Besitz an Großnichte Alexandrine Freiin von Rothkirch-Panthen fiel, die widerum den Bruder des Staatsministers Friedrich zu Eulenburg, Graf Philipp Conrad zu Eulenburg, ehelichte. 1867 wurde Alexandrine die Alleinerbin ihres Großonkels Karl Freiherr von und zu Hertefeld, wodurch die umfangreichen Güter und Nebengüter in der Region sowie am Niederrhein an die Grafen und späteren Fürsten zu Eulenburg fielen.
Der Schlossbau entstand aus einem spätestens ab 1743 errichteten Herrenhaus, das zwischen 1875 und 1906 in historisierendem Stil erweitert wurde. Der ehemalige Barockgarten wurde im 19. Jahrhundert in Anlehnung an Gestaltungsentwürfe von Peter Joseph Lenné zum Landschaftspark mit barocken Elementen überformt. Die Basis für die landwirtschaftliche Nutzung der Umgebung ist seit dem 17. Jahrhundert dem kleveschen Oberjagdmeister Jobst Gerhard von und zu Hertefeld zu verdanken, dessen Leistungen Theodor Fontane im Band Fünf Schlösser der Wanderungen durch die Mark Brandenburg als „epochemachend für die Kulturgeschichte der Mark“ beschrieb.
Wie alle anderen Junker-Schlösser, fiel auch das Schloss und Gut Liebenberg der Enteignung anheim, als die DDR gegründet wurde. Die Landwirtschaft und Gebäude dienten fortan dem sozialistischen Staat bzw. der Versorgung der Parteihochschule „Karl Marx“. Im Schloss entstanden Wohnungen für SED-Kader, Lehrlingsunterkünfte, Büros, Lager, ein Friseursalon, eine Arztpraxis und ein Kindergarten. Die Schlosskapelle wurde von der SED-Leitung zum Feiern genutzt.
Nach der Wiedervereinigung und kurzer Zwischenverwaltung durch die Treuhandanstalt, wurde das Gut Liebenberg 1996 zum Kauf ausgeschrieben. Die Einwohner Liebenbergs durften die von ihnen bewohnten Häuser erwerben. Um die Jahrtausendwende übernahm die Deutsche Kreditbank (DKB) den verbliebenen Gutsbesitz. In dieser Zeit wurde das Schloss zum Hotel umfunktioniert. Auf dem Gut entstanden das Museum und der Hofladen. Die Felder sind an ökologisch wirtschaftenden Landwirtschaftsbetrieb verpachtet.
Die DKB STIFTUNG für gesellschaftliches Engagement übernahm im Jahr 2005 das Gut und pflegt es nach den Grundsätzen des Denkmalschutzes. Die DKB STIFTUNG fokussiert sich auf vier Bereiche: Bildung für nachhaltige Entwicklung, kulturelle Bildung und Nachwuchsförderung, Inklusion und Prävention sowie die Pflege und die Vermittlung des kulturellen Erbes von Schloss und Gut Liebenberg. Seit 2009 werden das Hotel Schloss & Gut Liebenberg von ihr und das Jugenddorf am Ruppiner See in Gnewikow als eigenständige Integrationsunternehmen geführt. Puh, was für eine wechselvolle Geschichte!
Als ich auf der schattigen Bank unterm Baum saß und den Blick über die sonnig betstrahlte Pracht wandern ließ, wusste ich von alldem noch nichts. Da stand mir mein Pausenbrot und die Wasserflasche deutlich näher. Jetzt weiß ich Bescheid. Wandern bildet. 🙂
Etappe: Schloss Liebenberg – Seehaus
Als Durst und Hunger gestillt waren, zog ich eine Runde durch den Schlosspark Liebenberg mit Teehaus und Lindenhaus, schwenkte am Hofladen zurück und startete den Weg zurück Richtung Löwenberg.
Der Weg Richtung Seehaus war ausgeschildert und ich folgte ihm mehr oder weniger. Als ich dann jedoch sah, dass das am See vermutete pompöse Seehaus nicht am, sondern oberhalb des Sees steht und was für Nobelkarossen dort ein- und ausfahren, schwenkte ich auf sichereres Terrain, das Seeufer um. Unerwähnt soll das Seehaus jedoch nicht bleiben:
Es war seit dem Ende der 1940er-Jahre Sperrgebiet und wurde als Urlaubsstätte des Zentralkomitees der SED bewacht. Das Anwesen erhielt eine eigene Strom- und Wasserversorgung und eine direkte Telefonleitung nach Ost-Berlin. Das Seehaus beherbergte unter anderem Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl, Walter Ulbricht und diverse Staatsgäste. Der Liebenberger Forst wurde 1964 zum Staatsjagdgebiet erklärt. In der Ära von Erich Honecker(70er und 80er Jahre) kamen nur noch nachrangige oder ehemalige Mitglieder des Zentralkomitees zum Urlaub in das Seehaus, das von einer Sondereinheit der Deutschen Volkspolizei bewacht wurde. Im Zuge der Wende und friedlichen Revolution in der DDR zogen Demonstranten im Dezember 1989 vor das Seehaus und forderten Zutritt („Wir wollen rein“, „Wir sind das Volk“), der einer Delegation gewährt wurde. In meinen Wanderklamotten wäre mir vermutlich auch heute noch der Zutritt zu dieser noblen Adresse verwehrt worden. 🙂
Unten am See befindet sich ein adretter Holzbau mit Panoramafenstern, der für Events genutzt wird. Davor ragt ein breiter gepflegter Steg in den Großen Lankesee. Da weit und breit keine Menschenseele zu sehen war, gestattete ich mir, genüsslich auf dem Steg in der Sonne zu sitzen und den herrlichen Blick auf den Großen Lankesee zu genießen.
Etappe: Seehaus – Großer Lankesee – Radweg nach Löwenberg
Sonnen-satt ging es auf schmalem Pfad idyllisch am Süd- und Westufer des Großen Lankesees entlang, bis der Radweg von Löwenberg nach Liebenberg wieder erreicht ist.
Ursprünglich wollte ich bei sich bietender Gelegenheit wieder in den Wald einbiegen, entschied mich dann aber dagegegen. Wald hatte ich ja schon reichlich gehabt. Trotz des Asphalts schien mir für den Rückweg nach Löwenberg der an den Waldrand geschmiegte, Sonnen-beschienene Radweg verlockender. Es war ja nix los. So lief ich mit weitem Blick über die Felder an riesigen Weißdornbüschen vorbei, tauchte unter dem leuchtend-grünen Blätterdach massiger Eichen hindurch und gelangte ganz gemächlich zum Bahnhof Löwenberg zurück.
Die stattlichen Eichen, die vielen charaktervollen Waldseen, die geheimnisvolle Vogelbegegnung, das Märchenschloss und die Sonne waren einfach herrlich und trotz der großen Trauer um meinen Mann, konnte ich es genießen. Nur die Heimfahrt war traurig. Es gab niemanden mehr, der sich auf mein Heimkommen gefreut hätte…



















































































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