Wandern im Ahrntal: Röttal-Windtal-Runde über Rötalm und Lenkjöchlhütte

Tourdetails

gewandert am: 09.09.2021
Region: , ,
benötigt: gute Kondition, Trittsicherheit, Schwindelfreiheit, Wanderkarte

Startpunkt: Prettau Bergwerk
Ziel: Kasern
Entfernung: 14,5 km
höchster Punkt: 2560 m

Erreichbarkeit mit Öffis:

super
okay
dürftig
gar nicht

2021 kehrte ich nach 4 Jahren Sehnsucht in das wunderschöne Ahrntal zurück. Nördlich von Bruneck zweigt das Tauferer Ahrntal, das nördlichste und eines der urwüchsigsten Täler Südtirols, vom Pustertal ab. Das Ahrntal wird auf der einen Seite vom Zillertaler Hauptkamm und auf der anderen Seite von den Gipfeln der Ahrn- und Rieserfernergruppe überragt. Ein Wanderparadies! Aber Vorsicht, wer einmal hier war, kommt immer wieder…

Mit dieser Wanderung verbinden sich für mich besondere Erinnerungen. Im Sommer 2017 war ich für 3 Monate Sennerin auf der Rötalm und kümmerte mich in diesem #sommeroffline hauptsächlich um die bei uns einkehrenden Wanderer.

Die Rötalm liegt im hinteren Ahrntal am Eingang eines saftigen Hochtals, zu beiden Seiten prächtig eingerahmt von Rainhart Spitz zur Linken und Kleiner Löffler und Kemater Spitz zur Rechten und der Gletscher-bedeckten Rötspitze als krönendem Talschluss. Die Rötalm ist willkommener Rastplatz auf der beliebten Wanderrunde ab Kasern, die durch das Röttal hinauf und das Windtal hinab führt (oder andersrum) und an der Lenkjöchlhütte auf  2603 Höhenmetern ihren Scheitelpunkt hat. Alternativ kann man die Wanderung auch in Prettau oder am Ende der Buslinie, in Kasern, beginnen. Ich wählte als Einstiegspunkt, das kurz vor Kasern gelegene Schaubergwerk. In unmittelbarer Nähe befindet sich das Gehöft des Rötalm-Bauern, dessen Haupthaus gut 400 Jahre auf dem Buckel hat und in großen Teilen original erhalten ist. Bitte beachtet, dass es ein privates Wohnhaus und nicht zu besichtigen ist.

Etappe: Schaubergwerk Prettau – Bergbau-Lehrpfad – Rötalm

Das Bergwerk in Prettau war rund ein halbes Jahrtausend in Betrieb. Seit 1400 wurde im hinteren Ahrntal Kupferbergbau betrieben. Der Lehrpfad beginnt beim untersten Stollen des Bergwerks Prettau, dem St.-Ignaz-Stollen, auf 1.500 Meter Meereshöhe. Der St. Ignaz Erbstollen ist mit seinen 1168 m der längste Stollen und kann heutzutage besichtigt werden.

Ausgehend vom Schaubergwerk windet sich der schmale Weg über den Wiesenhang hinein in dichten Wald und führt stets bergauf, bis man an einer Wegkreuzung die Bergbaukapelle erreicht.  Nach kurzer Atempause, geht es weiter bergan durch den Wald, dann durch sich lichtendes Gelände. An den ehemaligen Stolleneingängen, die wie dunkle Wurmlöcher in eine längst vergangene Zeit, im Felsen kauern, erklären Schautafeln den Kupfererzabbau im Ahrntal und auf welcher Höhe der jeweilige Stollen in den Fels getrieben wurde. Übrigens gab es auch damals schon Fremdarbeiter. Im Prettauer Kupfer-Bergbau waren mehrheitlich Bergleute aus Bayern beschäftigt.

Das Prettauer Erzlager erstreckt sich auf der linken Talseite von seinem Ausbiss in der Nähe des Rötkreuzes in 2000 m Meereshöhe 550 m fast senkrecht nach unten in die Tiefe des Berges. Der Kupfergehalt des Erzes nahm im Laufe der Jahrhunderte stetig ab, wie aus dem Archiv ersichtlich ist. Immer mehr Erz musste aufbereitet werden, um die gleiche Menge Kupfer zu erhalten. Das Prettauer Kupfer war sehr dehnbar und daher besonders für die Drahtproduktion geeignet. Vor allem für die Herstellung von sogenannten „Leonschen Waren“, dies sind mit Gold und Silber oder Messing überzogene Kupferdrähte für Messgewänder, Borten und Stickereien. Aber auch für die Produktion von Messing wurde das Prettauer Kupfer verwendet.

Quelle: prettau.it

Kommt man, schon etwas außer Puste, beim Rötkreuz an, hat man die erste Etappe fast geschafft. Von hier schlängelt sich der Weg am rauschenden Rötbach entlang einige weitere Höhenmeter in ein sanftes Hochtal hinauf, das Röttal. Hinter der Bachbiegung kommt endlich das ersehnte Etappenziel in Sicht, die auf den Felsen gekauerte urige Hütte der Rötalm. Nun ebenfalls nicht mehr zu übersehen ist die majestätische Rötspitze, die am Ende des Tals thront, wie ein Geburtstagskind an der Kaffeetafel. Die geschmückten Gäste – flankierende Dreitausender – Staffage, um dem Jubilar zur Ehre zu gereichen. Auch beim wiederholten Besuch, ein atemraubender Anblick.
Hinweis: Die Fotos stammen teilweise von meiner Zeit als Sennerin auf der Rötalm.

Außer des steilen Wanderwegs, den übrigens auch das Vieh beim Almauftrieb erklimmen muss, gibt es keine anderen Zugangswege zur Rötalm. Anders als an Zufahrtsstraßen gelegene Almhütten, scheint hier deshalb auch die Zeit stehen geblieben zu sein. Wände von Küche und Vorraum rußgeschwärtzt, ein riesiger alter Herd, der zum Käsemachen befeuert wird, kein Internet und auch (fast) kein Strom. Nur eine kleine Solarzelle auf dem Dach für das Funkgerät und damit man abends nicht im Dunkeln sitzt. Die Melkmaschine wird mit Strom vom Generator betrieben, der in einem kleinen Verschlag hockt. Mensch und Tier teilen sich die wetterfeste Behausung aus Stein und Holz. Auch das auf der Wiese im Tal geerntete Heu wird im Haus gelagert. Nebenbei dient die gemütliche gute Stube auch noch als Unterschlupf für durchgefrorene bzw. durchnässte Wanderer und Schlafraum für den Bauern und seine Frau, sowie mehrere Mitarbeiter bietet die winzige Hütte zudem auch noch. Irgendwie.

Wanderer sind auf der Rötalm jederzeit herzlich willkommen und werden mit typischen Almgerichten verköstigt. Sehr beliebt war unser Graukäse, der, solange noch jungfräulich frisch und strahlend weiß draußen zum Trocknen aufgestellt, bei den italienischen Gästen die Vermutung weckte, es sei Ricotta. Der junge Graukäse, der aus saurer Milch angesetzt wird, wird traditionell mit Zwiebel, Essig und Pfeffer serviert. Auch der geräucherte Speck von den eigenen Schweinen schmeckt mit Spiegelei aus der Pfanne wunderbar. Ich freute mich ganz besonders auf ein Glas beim Buttern angefallener Buttermilch. Kein Vergleich mit dem, was im Supermarkt als Buttermilch verkauft wird und erst recht nicht zu verwechseln mit Milch, in die einfach nur Butter hinein gequirlt wurde, da sich viele Bergbauern die Mühe des Butterns gar nicht mehr machen.

Apropos Mühe. Manche Wanderer reagieren verständnislos, wenn Brot sparsam ausgeteilt wird oder wenn sie ihren Müll wieder mit ins Tal hinunternehmen sollen. Dabei ist den meisten nicht bewusst, dass Brote, Eier und frische Zutaten allesamt zu Fuß auf 2200 Höhenmeter gebracht werden müssen und Müll den umgekehrten Weg geht. Erklärt man es ihnen, ist das Erstaunen groß und eine einfache Scheibe Brot bekommt plötzlich unschätzbaren Wert.

Etappe: Rötalm – Röttal – Lenkjöchlhütte

Die Vorfreude auf das Wiedersehen mit dem geliebten Röttal und meiner Almfamilie wuchs bei jedem Schritt. Zeit für Wiedersehensfreude war dann aber leider keine, denn es war einer jener Tage, an dem nicht nur Familien, sondern mehrere Schulklassen die Hänge vor der Almhütte belagerten und die Almcrew alle Hände voll zu tun hatte, den hungrigen und durstigen Horden Unmengen von Kaiserschmarrn, Suppen, Spiegeleiern und Käsebrettln bzw. Graukäse mit Butterbrot zu servieren. Sepp, der Sohn des Bauern, der gerade aus der Tür trat, erkannte mich sofort und umarmte mich mit breitem Grinsen. Konrad, der alte Bauer, brauchte einen Moment und war sichtlich ebenfalls erfreut. Ich verzog mich auf die stile Bank um die Ecke, die eigentlich Konrad vorbehalten ist und genoss die kühle Buttermilch samt Begrüßungsschnaps und den herrlichen Blick taleinwärts zur Rötspitze.

Der Wanderweg zieht sich parallel zum Rötbach gemächlich durch das satte Grün des Röttals und steigt erst am Talende sanft wieder an. Diesen Teil der Strecke kannte ich bestens, durfte ich im #sommeroffline doch an meinen freien Tagen wandern und marschierte diverse Male hoch zur 500 Höhenmeter weiter oben gelegenen Lenkjöchlhütte. Den darüber ragenden Ahrnerkopf habe ich hingegen nie bezwingen können. Auch diesmal war ich nicht in Top-Form. Im Gegenteil, dies war meine erste Wanderung im Wanderurlaub und sollte mich erstmal nur hinauf zur Rötalm und meiner Almfamilie bringen. Letztere würde ich noch ein zweites Mal besuchen, wenn weniger los wäre. Ich fühlte mich trotz der anstrengenden 500 Höhenmeter frisch und bereit für eine zweite Etappe und den Abstieg durch das benachbarte Windtal. Die Rötspitze zog mich magisch an und drängte zum Aufbruch.

Nach einer weiteren kurzen Umarmung zog ich von dannen und schwelgte in der Schönheit des Tals und in Erinnerungen gleichermaßen. Das letzte Mal war ich diesen Weg bei hüfttiefem Schnee entlang gezogen. Diesmal war herrlichster Sonnenschein und das Röttal mit der Ruine der alten Rötalm war schnell durchschritten.

Es folgte der langsame, stetige Anstieg über die Flanke des Rainhart Spitz. Vorbei am Wasserfall und immer weiter den mit zarten Blumen übersäten Hang hinauf in Richtung Sattel.

Die Gletscher der Rötspitze rücken immer näher und das Gelände wird zunehmend karger und unwirtlicher. Von weitem schon sieht man die winzig wirkende Lenkjöchlhütte wie eine vage Verheißung warten. Kommt der kleine Gletschersee unterhalb des Gipfels der Rötspitze in den Blick, hat man es so gut wie geschafft. Kurzer Fotostopp und Rundumblick und schon sind die letzten Meter bis zur Bergbaude überwunden und man kann die müden Knochen an einem der Holztische mit großartigem Blick und einladender Speisekarte ausruhen.

Etappe: Lenkjöchlhütte – Windtal – Kasern

War das schön, nach so langer Zeit wieder an diesem wundervollen Fleckchen Erde sitzen zu können und einen Teller voll Pasta mit köstlichem Tomatensugo zu futtern. Ich wäre gern noch geblieben, aber es lag noch ein weiter Abstieg durch unbekanntes Terrain vor mir. Ich wusste nur, dass das Windtal seinen Namen zu Recht trägt und steiler und unwirtlicher sein soll, als das liebliche Röttal. Deshalb schlug ich dankend den Willkommen-zurück-Schnaps des Gastgebers aus und begann gestärkt den Abstieg. Der Weg durch das Windtal ist auf seine Weise ebenfalls sehr schön. Nur rauer.

Der ganze Tag hat sich wie heimkommen angefühlt. Einfach herrlich!

veröffentlicht am: 12.10.2022

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