Etappe: Grünberg – Battin – Bagemühl
Meine geplante Wanderung kreuzte am Ortsausgang die Überreste der ehemaligen Bahnstrecke von Pasewalk nach Löcknitz. Relikte einer Zeit, als die Region noch nicht wie ausgestorben wirkte. Sowohl das Gutsgelände als auch die nach der Wende still gelegte Bahnstrecke steckten voller Leben.
Hinter den Gleisüberresten zweigt der Wanderweg um den Grünberger See ab. Ich folgte der blauen Wegmarkierung bei sengender Hitze durch goldene Felder. Der See hielt sich versteckt. Das Gewässer ist fest in gefiederter Hand und für überhitzte Zweibeiner nicht zugänglich. Abends erfüllt das Geschnatter unzähliger Seevögel die Luft, wie der Duft nach Kuchen einen Backofen umschwebt. Bald erreichte ich das idyllische Dorf Battin. Es liegt abseits großer Verkehrsadern und strahlt mit seinen in frischen Farben renovierten Fachwerkhäuschen Zuversicht und Frieden aus.
Ein Plätzchen, wo Wanderer sich erfrischen könnten, gab es leider nicht, weshalb ich schnurstracks bis zum Ortsausgang und dann auf dem Schwarzen Weg weiter marschierte. Der Schwarze Weg ist ein in Teilen tatsächlich schwarzer Weg. Seit 2015 gibt es eine Spenden-finanzierte Anwohnerinitiative, die, mit Material und Technik ansässiger Bauern unterstützt, am Schwarzen Weg Bäume pflanzt und Bänke aufstellt. Im Laufe der Zeit konnten so 70 junge Wallnussbäume und 20 Sauerkirschen entlang des Schwarzen Weges gepflanzt und drei Sitzbänke montiert werden. Diese bieten einen weiten Blick in die etwas tiefer liegende Randowniederung. Dort fließt die Randow und verleiht dem Randowbruch, einer weiten Wiesenlandschaft beiderseits des Baches, den Namen. Außerdem bildet die Randow auf 20 km Länge die Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern. Kurz vor Bagemühl wölbte sich das golden schimmernde Ackerland vor strahlend blauem Himmel. Eine flimmernde goldene Wolke auf der fernen Hügelkuppe hüllte den dort arbeitenden Mähdrescher ein. Hören konnte man ihn nicht. Nur Stille. Wunderbare Stille!
In Bagemühl, dessen erste schriftliche Erwähnung aus dem Jahr 1260, stammt und das damals „Henricus de Bagemile“ genannt wurde, erwarteten mich dunkle Gewitterwolken. Ich hielt mich an die ruhige Straße links vom Feuerlöschteich, packte unweit des Spielplatzes meine Pausenbrote aus und schaute in die Wolken, als könnten sie mir Auskunft geben, wann und wo sie abzuregnen gedenken. Unweit pinselte ein freundlicher Mensch die Picknicktische des Dorfvereins in aller Seelenruhe an. Meine bange Frage nach dem dräuenden Wetter wurde genauso seelenruhig beantwortet. Ich solle mir keine Sorgen machen, das Unwetter sei noch gut ein, zwei Stunden entfernt… Gestärkt und halbwegs beruhigt, ließ ich die Gewitterwolken links liegen und marschierte wie geplant in nördliche Richtung vorbei an Sonnenblumenfeldern und über das Bagemühler Fließ hinweg. Jetzt tauchte der Weg in den Waldstreifen ein, der parallel zum Randowbruch verläuft. Bei der Abzweigung nach Woddow gelangte ich nochmal auf freies Feld, um kurz darauf wieder in Nadelwald einzutauchen. Die Großsteingräber, die es in diesem Wald gibt, habe ich leider nicht entdeckt. Die Wolken hingen nach wie vor links von mir über freiem Feld, grummelten und schienen dasselbe Ziel zu haben wie ich. Den Menkiner See.
Wohl keine so gute Idee, bei Gewitter eine offene Wasserfläche anzusteuern… Zumal die einzige weit und breit. Der Wind nahm deutlich zu und ließ kleine Zweige knackend durch die Gegend fliegen. Da auch Wald im Sturm nicht der geeignetste Ort für einen Wanderer ist, entschloss ich mich zu einer Richtungsänderung, was diese Tour letztendlich zur Rundtour machte. Ich nahm den nächsten Weg in westliche Richtung und lief gemütlich durch die einsame offene Landschaft bis nach Woddow. Das nach Norden ziehende Gewitter war weit genug entfernt, sodass ich das dramatische Farbenspiel bewundern konnte, ohne nass zu werden oder Blitzschlag befürchten zu müssen. Eher schon Hitzschlag…
In Woddow fielen mir das charmante, wenn auch leider vom Zahn der Zeit arg angenagte Gebäude der Gutschschmiede an der Hauptstraße auf. Ebenfalls sehenswert ist das Portal zum Gutsgelände mit seinen blauen Zierelementen und den angeknabberten Säulen. Das Dorf Woddow entstand als Bauerndorf im Zuge der Ostkolonisation während des 12. Jahrhunderts. Im Dreißigjährigen Krieg wurde Woddow schwer getroffen, von der ursprünglichen Bevölkerung blieben nur zwei Bauern und zwei Kossäten übrig. Um den Aufbau der im Krieg zerstörten Dörfer voranzutreiben und eine drohende Entvölkerung der Gebiete zu verhindern, wurden zudem Hugenotten in Woddow angesiedelt. Im Verlauf der weiteren Geschichte kam Woddow an die in der Region ansässige Adelsfamilie von Arnim, bis diese den Ort 1932 an einen Otto von Birkenstedt verkaufte. Dann muss das Portal mit den blauen Eimern also die Zufahrt zum Birkenstedtschen Anwesen gewesen sein. Besagter Otto wurde nach dem Krieg bei der Bodenreform enteignet und das Land auf 52 Neubauern aus der Gegend aufgeteilt. Und dann kam, was kommen musste … eine LPG.
Auf meiner Touren-App hatte ich gesehen, dass zwischen Woddow und Grünberg eine alte Verbindungsstraße existiert. Wegen der glatten Asphaltbahnen, die kreisförmig die wichtigsten Ortschaften dieser nordöstlichsten Region Brandenburgs verbinden, liegt die alte Kopfsteinpflaster-Piste brach und die Natur knabbert von beiden Seiten daran, wie ich als Kind am frischen Bäckerbrot. Ein sehr schöner Weg, um die Runde zu beschließen und die Tour (nach ein paar nicht vermeidbaren Metern entlang der Hauptstraße) in Grünberg zu beenden.
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